Bünde (BZ). »Russland bricht Völkerrecht. Erstmalig seit 1945 hat in Europa ein
Land Gebiete eines anderen Landes annektiert.« Klare Worte zur Vorgehensweise Russlands in der Ukraine findet Elmar Brok (CDU).
Der Europaparlamentarier Elmar Brok (rechts) referierte vor etwa 100 Zuhörern über Russland, die Ukraine und die EU.
Foto: Hilko Raske Der langjährige Europaabgeordnete aus Bielefeld und Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments referierte am Freitagabend im Parkhotel Sonnenhaus über die derzeit angespannte Lage in der Ukraine, die Außenpolitik der Europäischen Union und das Verhältnis zu Russland. Brok war einer Einladung des Arbeitskreises »Außen- und Sicherheitspolitik« des CDU-Kreisverbandes Herford gefolgt.
Etwa 100 Zuhörer – unter ihnen der heimische Bundestagsabgeordnete Dr. Tim Ostermann (CDU) und Bündes Bürgermeister Wolfgang Koch – folgten mit großem Interesse den Ausführungen Broks, der als ausgewiesener Experte der europäischen Außenpolitik und intimer Kenner der russischen Machtstrukturen gilt.
Die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts seien nicht etwa die beiden Weltkriege oder der Holocaust gewesen, sondern der Zusammenbruch der UdSSR.
»Diese Worte stammen von Wladimir Putin. Viele dachten, dass es sich dabei um ein nostalgisches Zurückerinnern handelt.
Die vergangenen Wochen haben bewiesen, dass das eine krasse Fehleinschätzung gewesen ist«, stellte Brok mit Blick auf die russische Vorgehensweise in der Ukraine klar. Putin habe inzwischen eine Machtfülle auf sich vereinen können, die vergleichbar mit der Stalins sei. »Im Gegensatz zu jemandem wie Breschnew, dem ehemaligen Staats- und Parteichef der UdSSR, gibt es für Putin jedoch kein Politbüro, dem er Rechenschaft ablegen muss.« Putin habe es nicht verstanden, ein besseres Russland zu entwickel0n, dass über rechtsstaatliche Prinzipien und eine moderne Wirtschaft verfüge.
Denn das hätte vorausgesetzt, dass er seine Machtfülle einschränke.
»Weil Putin den Traum von einem modernen Russland nicht hat verwirklichen können, setzt er nun auf die nationale Karte.« Und das komme in Moskau, wie Brok selber erlebt hat, hervorragend an. »Es herrscht dort eine ungeheure Euphorie.
« Als Schwachsinn bezeichnete Brok die immer wieder zu hörende These, dass Russland nicht habe anders handeln können, weil es militärisch praktisch vom Westen umzingelt sei. »Die Nato hat vor mehreren Jahren beschlossen, die Ukraine nicht in das Bündnis aufzunehmen.« Brok widersprach auch der Behauptung, Russland sei durch die EU vernachlässigt worden. Vielmehr sei ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland geschlossen worden, um die engen
Beziehungen intensiv zu pflegen.
Ebenso wenig habe es eine Verfolgung der russischen Minderheit in der Ukraine gegeben. »Beim Menschengerichtshof sind nie Beschwerden über eine Verfolgung der russischsprachigen Minderheit eingegangen.«
Die Menschen in der Ukraine wollten keine staatliche Willkür mehr – das hätten die Demonstrationen gezeigt. Sie fühlten sich als Europäer und wollten Bestandteil Europas sein. Dem stünden die Pläne Putins gegenüber, der die Wahl in der Ukraine nicht wolle, weil die große Mehrheit sich für eine prowestliche Regierung aussprechen würde. Nach Einschätzung von Brok habe Putin aber deutlich mehr als nur die Ostukraine
im Blick. Sein Weg führe über die Südukraine nach Transnistrien und Moldawien.
Brok machte aber auch deutlich, dass der Westen wegen der Ukraine keine Krieg führen werde. Stattdessen müssten Wirtschaftssanktionen schrittweise verschärft werden. »Putin muss klar werden, dass er hier einen großen Fehler macht.« Natürlich gebe es mit Blick auf russische Gas- und Öllieferungen eine gewisse Abhängigkeit. »Energie ist immer eine politische Waffe.« Deutschland würde das meistern – wenn auch mit Opfern. Für Russland würde dies aber bedeuten, dass 60 bis 70 Prozent seiner Einnahmen wegbrechen, wenn die Lieferung von Gas und Öl eingestellt würde. Um weniger abhängig zu sein, solle Deutschland zunehmend die erneuerbaren Energien nutzen, weil es die nicht importieren müsse, forderte Brok. Der Europaabgeordnete prophezeite eine Renaissance der Nato als gemeinsames Verteidigungsbündnis. Und nur ein starkes Europa könne sich dieser Herausforderung stellen. »Auch deshalb sollten alle sich an
der Europawahl beteiligen« – mit dieser Aufforderung beendete Brok seinen Vortrag.